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Das Dorf Caputh:
Caputh ist eines der größten Dörfer der Mark, eines der längsten gewiß; es mißt wohl eine halbe Meile. Daß es wendisch war, besagt sein Name. Was dieser bedeutet, darüber existieren zu viele Hypothesen, als daß die eine oder andere viel für sich haben könnte. So zweifelhaft indes die Bedeutung seines Namens, so unzweifelhaft war in alten Zeiten die Armut seiner Bewohner.
Kirche in Caputh. Architekt war Augusr Stüler 1847.
Caputh besaß keinen Acker, und die große Wasserfläche, Havel samt Schwielow, die ihm vor der Tür lag, wurde von den Potsdamer Kiezfischern, deren alte Gerechtsame sich über die ganze Mittelhavel bis Brandenburg hin erstreckten, eifersüchtig gehütet und ausgenutzt.So stand es schlimm um die Caputher; Ackerbau und Fischerei waren ihnen gleichmäßig verschlossen. Aber Not macht erfinderisch, und sowußten sich denn schließlich auch die Bewohner dieses Uferstreifens zu helfen.
Ein doppeltes Auskunftsmittel wurde gefunden, Mann und Frau teilten sich, um von zwei Seiten her anfassen zu können. Die Männer wurden Schiffer, die Frauen verlegten sich auf Gemüsebau. Die Nachbarschaft Potsdams, vor allem das rapide Wachstum Berlins waren dieser Umwandlung, die aus dem Caputher Tagelöhner einen Schiffer oder Schiffsbauer machte, günstig, riefen sie vielleicht hervor. Überall an der Havel und Schwielow hin entstanden Ziegeleien, und die Millionen Steine, die jahraus, jahrein am Ufer dieser Seen und Buchten gebrannt wurden, erforderten alsbald Hunderte von Kähnen, um sie auf den Berliner Markt zu schaffen.
Dazu boten die Caputher die Hand. Es entstand eine völlige Kahnflotte, und mehr als sechzig Schiffe, alle auf den Werften des Dorfes gebaut, befahren in diesem Augenblicke den Schwielow, die Havel, die Spree. Das gewöhnliche Ziel, wie schon angedeutet, ist die Hauptstadt. Aber ein Bruchteil geht auch havelabwärts in die Elbe und unterhält einen Verkehr mit Hamburg.Caputh — das Chicago des Schwielow-Sees — ist aber nicht bloß die große Handelsempore dieser Gegenden, nicht bloß End- und Ausgangspunkt der zauche-havelländischen Ziegeldistrikte, nein, es ist auch Stationspunkt, an dem der ganze Handelsverkehr vorüber muß. Der Umweg durch den Schwielow ist unvermeidlich; es gibt vorläufig nur diese eine fahrbare Straße. Eine Abkürzung des Weges durch einen Nordkanal ist geplant, aber noch nicht ausgeführt.
Der Schiffverkehr auf Havel und Schwielow — Caputh und die ANANAS-Erdbeeren:
Der Umweg durch den Schwielow ist unvermeidlich; es gibt vorläufig nur diese eine fahrbare Straße. Eine Abkürzung des Weges durch einen Nordkanal ist geplant, aber noch nicht ausgeführt. So wird denn das aus eigenen Mitteln eine Kahnflotte hinaussendende Caputh, das, wenn es sein müßte, sich selbst genügen würde, zugleich zu einem allgemeinen See- und Handelsplatz, zu einem Hafen für die Schiffe anderer Gegenden, und die Flottillen von Rathenow, Plaue, Brandenburg, wenn eine Haverie sie trifft oder ein Orkan im Anzuge ist, laufen hier an und werfen Anker.Am lebendigsten aber ist es auf der Caputher Reede, wenn irgendein großer Festtag einfällt und alte gute Sitte die Weiterfahrt verbietet. Das ist zumal um Pfingsten. Dann drängt alles hier zusammen; zu beiden Seiten des " Gemündes " liegen 100 Schiffe oder mehr, die Wimpel flattern, und hoch oben auf dem Mast, ein entzückender Anblick, grüßen hundert Maienbüsche weit in die Ferne. Das ist die große Seite des Caputher Lebens; daneben gibt es eine kleine. Die Männer haben den Seefahrerleichtsinn; das in Monaten Erworbene geht in Stunden wieder hin, und den Frauen fällt nun die Aufgabe zu, durch Bienenfleiß und Verdienst im kleinen die Rechnung wieder ins gleiche zu bringen. Wie wir schon sagten, es sind Gärtnerinnen; die Pflege, die der Boden findet, ist die sorglichste, und einzelne Kulturen werden hier mit einer solchen Meisterschaft getrieben, daß die "Caputhschen" imstande sind, ihren Nachbarn, den "Werderschen" Konkurrenz zu machen. Unter diesen Kulturen steht die Erdbeerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe der beiden Hauptstädte zustatten, und es gibt kleine Leute hier, mit einem halben Morgen Gartenland, die in drei bis vier Wochen 120 Taler für Ananaserdbeeren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine Leute, und man kann auch in Caputh wieder die Wahrnehmung machen, daß die feineren Kulturen es nicht zwingen und das fünfzig Morgen Weizacker nach wie vor das Einfachste und das Beste bleiben.
ERDBEEREN aus Caputh
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Der Schwielow ist gutmütig, so sagten wir; aber wie alle gutmütigen Naturen kann er heftig werden, plötzlich, beinahe unmotiviert, und dann ist er unberechenbar. Eben noch lachend, beginnt ein Kräuseln und Drehen, nun ein Wirbeln, ein Aufstäuben, ein Gewölk — es ist, als führe eine Hand aus dem Trichter, und was über ihm ist, muß hinab in die Tiefe. In solchen Augenblicken gibt er der Müggel nichts nach. Es gibt ganze Linien wo die gescheiterten Schiffe liegen. Ihn zu befahren in seiner ganzen Breite war seit lange mein Wunsch. Heute bot sich die Gelegenheit. Der Wind war gut, ein regelrechter Südost.An der Fährstelle zu Caputh lag das Boot; grün und weiß die Planken und Ruder; das Segel war noch an den Mast gebunden. Wir stiegen ein zu dritt, mit uns die Söhne des Fährmanns, drei junge Caputher Midshipmen zwischen zehn und vierzehn, die auf dem Schwielow für den vaterländischen Dienst sich vorbereiten, wie einst der Peipus die Hohe Schule war für die werdende russische Flotte. Sie hatten bereits die Ruhe des Seemanns; dazu blaue Mützen mit Goldstreif und den Anker daran. Der Älteste nahm den Platz am Steuer; nun los die Bänder, der Wind fuhr in das flatternde Segel, und wie ein Pfeil glitten wir über die weite Fläche hin. Der Fährmann, eine prächtige Gestalt, stand am Ufer und wünschte gute Fahrt. Wir gaben Antwort mit Hohiho und Mützeschwenken.
Eine Weile ging das Geplauder, aber bald wurden wir still. Wir waren jetzt in der Mitte des Sees, die Sonne stand hinter einem Gewölk, so daß alles Glitzern und Blenden aufhörte, und nach links hin lag jetzt in Meilentiefe der See. Ein Waldkranz, hier und da von einzelnen Pappeln und Ziegelessen überragt, faßte die weiten Ufer ein; vor uns, unter Parkbäumen, Petzow und Baumgartenbrück, nach links hin, an der Südspitze des Sees, das einsame FERCH.
FERCH:
Dieser einsame Punkt war mit unter den Lieblingsplätzen Friedrich Wilhelms IV., der in Sommertagen, wenn er abends zu Schiff in die Havelseen hinausfuhr, gern hier anlegte und seine Teestunde im engsten Kreise verplauderte. Noch zeigt eine umfriedete Stelle den Platz am Abhang, wo er zu sitzen und das schöne Bild zu überblicken liebte. Jetzt lag die Breite des Sees hinter uns; noch durch einen Schilfgürtel hindurch, und wir glitten das schlammige Ufer hinauf; nur der Stern des Kahns lag noch im Wasser. Hügelan steigend, suchten wir eine schattige Stelle unter dem Dach zweier halb zusammengewachsener Akazienbäume und sahen nun hinaus auf die blanke Fläche, auf das Spiel wechselnder Farben und auf das stille Leben, das darüber hinglitt. Blaue Streifen zogen sich durchs Grau, dann umgekehrt, und quer durch diese Linien, über die das Licht hinglitzerte, kamen und gingen die Schiffe. Die Segel standen blendend weiß in der Sonne. Stunde und Stimmung waren günstig zum Plaudern.Unser Schwielow-Führer nahm das Wort, und an den Rand des Schattens tretend, der unsern Platz umzirkelte, hob er jetzt geschäftig an: "Dort, wo Sie den grauen Streifen sehen, fast in der Mitte, aber mehr nach Caputh zu, dort liegen die Schiffe, die der Schwielow hinabgerissen; was er hat, das hält er fest, er gibt sie schwer wieder heraus. Und doch soll er`s, und doch wird er darum angegangen. Die Versicherungsgesellschaften setzen ihm scharf zu und fragen nicht lange, ob er will oder nicht. Es ist noch nicht lange, da haben sie`s wieder versucht. In Caputh gibt es immer einen Freudentag; ob`s glückt oder nicht, es bringt uns Geld ins Dorf." So ging die Rede.
Noch manches Wort fiel, vom Ziegeleibetrieb, von Maulbeerbäumen und Seidenzucht, vom Kornhandel nach Sachsen, vom Weinbau, der einst an diesen Hügelhängen blühte, zuletzt von der Jagd und den Wilderern am Schwielow hin. Die Sonne neigte sich, in einer viertel Stunde mußte sie unter sein. Wir eilten zu unserem Boot, und nahmen, uns rückwärts setzend, unseren Blick gegen Westen, um vom Wasser aus dem Schauspiel folgen zu können. Noch eh wir die Mitte des Sees erreicht, hing der rote Ball über dem Sparren- und Schattengerüst der Zugbrücke von Baumgartenbrück, während das glühende Spiegel-bild der Sonne nur drei handbreit tiefer stand. Die eine Sonne dicht über dem Horizont, die andere dicht über dem Wasser, und nur der schwarze Streifen des Brückengeländers zwischen beiden! Nun unter. Die Nebel fingen an, leise zu brauen.
Ein Schleier über Wasser und Wald; Ferch dämmerte immer unbestimmter herauf; nur am Caputher Ufer war es noch hell. Welch Bild jetzt! Da, wo das "Gemünde", das tiefgehende eigentliche Fahrwasser, das aus der Havel in den Schwielow führt, sich als ein blauer Streifen markiert, zogen in langen Rudeln die Havelschwäne; zu beiden Seiten des "Gemündes" aber, an den einfassenden seichten Stellen Spalier bildend, blühten in dichten Guirlanden die weißen Teichrosen aus dem Wasser auf. In einiger Entfernung war es nicht zu unterscheiden, wo das Blühen aufhörte und das Ziehen und Schwimmen begann. Und durch all das Weiß hin, das eben jetzt einen leisen Schimmer der scheidenden Abendröte trug, schob sich unser Kahn an die Caputher Fähre heran, und der Fährmann, am Ufer unser harrend, hieß uns willkommen und beglückwünschte uns als "wieder zurück vom SCHWIELOW".