Der Ort Glindow, die Lehmberge, die ZIEGELEIEN und der Absatz der Ziegel in Berlin:
Glindow Ort:
Hier nährten früh und spat den Brand
Die Knechte mit geschäft'ger Hand;
Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
Als gält es, Felsen zu verglasen.
Schiller
Was Werder für den Obstkonsum der Hauptstadt ist, das ist GLINDOW für den Ziegelkonsum. In Werder wird gegraben, gepflanzt, gepflückt — in Glindow wird gegraben, geformt, gebrannt; an dem einen Ort eine wachsende Kultur, am andern eine wachsende Industrie, an beiden Orten (in Glindow freilich auch mit dem Revers der Medaille) ein wachsender Wohlstand.
Die Knechte mit geschäft'ger Hand;
Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
Als gält es, Felsen zu verglasen.
Schiller
Dazu steht das eine wie das andere nicht bloß für sich selber da, sondern ist seinerseits wiedrum eine Metropole, ein Mittelpunkt gleichgearteter und zugleich widerstrebender Distrikte, die fast geboten erscheinen lassen, nach Analogie einiger Schweizer Kantone, von Werder-Stadt und Werder-Land oder von Glindow-Dorf und Glindow-Bezirk zu sprechen. Bei Werder haben wir diesen Unterschied übergangen; bei Glindow wird es dann und wann unvermeidlich sein, auf ihn Bezug zu nehmen. Deshalb an dieser Stelle schon folgendes: Distrikt Glindow ist etwa zwei Quadratmeilen groß (vier Meilen lang und eine halbe Meile breit) und zerfällt in ein Innen- und Außenrevier, in einen Bezirk diesseits und jenseits der Havel. Das Innenrevier dieseits der Havel ist alles Lehm- und Tonland und umfaßt die gesamten Terretorien am Schwielow-, am Glindow- und Plessow-See; das Außenrevier oder das Revier jenseits der Havel ist neuentdecktes Land und dehnt sich vorzugsweise auf der Strecke zwischen Ketzin und Tremmen aus. Dies Außenland, abweichend und eigenartig, behauptet zugleich eine gewisse Selbständigkeit und zeigt eine unverkennbare Tendenz, sich loszureißen und Ketzin zu einer eigenen Hauptstadt zu machen. Vielleicht, daß es glückt.
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Vorläufig aber ist die Einheit noch da, und ob der Tag siegreicher Sezession näher oder ferner sein möge, noch ist GLINDOW-Metropole und herrscht über Innen- und Außenrevier. Die Bodenbeschaffenheit, das Auftreten des Lehms ist diesseits und jenseits der Havel grundverschieden. Im Innenrevier tritt der Lehm in Bergen auf, als Berglehm, und wenn wir uns auf die wichtige Feldmark Glindow beschränken, so unterscheiden wir hier folgende Lehmberge: den cöllnischen, zwei brandenburgische (Altstadt, Neustadt), den caputhschen, den schönebeckschen, den Invalidenberg, den Schloßbauberg, zwei Kurfürstenberge (den großen und den kleinen), den plaueschen, den mösenschen, den postdamschen. Die drei letztgenannten liegen wüst, sind tot. Die andern sind noch in Betrieb. Ihre Namen deuten auf ihre früheren Besitzer: Berlin-Cölln, Brandenburg, Potsdam, Caputh, Schönebeck hatten ihre Lehmberge, der Invalidenberg gehörte dem Invalidenhause etc.. Jene Ortschaften haben sich längst ihres Eigentums entäußert, das inzwischen in die Hände einiger Ziegellords übergegangen ist. Die meisten sind in Händen der Familie Fritze.
ABB.: Geologie Zache ...
Der Lehm in diesen Bergen ist sehr mächtig. Nach Wegräumen einer Oberschicht, Abraum genannt, von etwa dreißig Fuß Höhe, stößt man auf das Lehmlager, das oft eine Tiefe von achtzig bis hundert Fuß hat. Der Lehm ist schön und liefert einen guten Stein, aber doch keinen Stein ersten Ranges. Die Hauptbedeutung dieser Lager ist ihre Mächtigkeit, annähernd ihre Unerschöpflichkeit. Dabei mag als etwas Absonderliches hervorgehoben werden, daß sich in diesen Lehmlagern Bernstein findet, und zwar in erheblicher Menge.
Abb.: Bernstein ...
Die meisten Stücke sind haselnußgroß und somit ohne besonderen Wert, es finden sich aber auch Stücke von der Größe einer Faust, dabei sehr schön, die bis zu fünfundzwanzig Taler verkauft werden. Wer solch Stück findet, hat einen Festtag. Soviel über die Lehmberge des Innenreviers. Ganz anders ist das Auftreten der Lager im Außenrevier jenseits der Havel. Der dort vorkommende Lehm ist sogenannter Wiesenlehm, der nur sechs Fuß unter der Rasenoberfläche liegt, aber auch selber nur in einer Schicht von sechs bis acht Fuß auftritt. Er ist wegen des geringen Abraum, der fortzuschaffen ist, leichter zugänglich; all diese Lager sind aber verhältnismäßig leicht erschöpft, auch ist das Material nicht voll so gut. Dieser Unterschied im Material — wie mir alte Ziegelbrenner versicherten — ist übrigens viel bedeutungsloser, als gewöhnlich angenommen wird.
Wie bei so vielem in Kunst und Leben kommt es darauf an, was Fleiß und Geschick aus dem Rohmaterial machen. Das Beste kann unvollkommen entwickelt, das Schwächste zu einer Art Vollkommenheit gehoben werden. So auch beim Ziegelbrennen. Die berühmtesten Steine, die hierzuland gebrannt werden, sind die roten Rathenower und die gelben Birkenwerderschen.

Ziegel aus: Birkenwerder — Rathenow — Glindow-Werder
Auch in Glindow und seinen Dependenzien wird ein vorzüglicher Stein gebrannt, aber dennoch nicht ein Stein, der den Rathenowern und Birkenwerderschen gleichkäme. Die Herstellung im Dorfe Glindow selbst erfolgt durch etwa 500 Arbeiter aller Art. Wir unterscheiden dabei: fremde Ziegelstreicher, einheimische Ziegelstreicher und Tagelöhner. Über alle drei Kategorien ein Wort. Fremde Ziegelstreicher werden hier seit lange verwandt. Die einheimischen Kräfte reichen eben nicht aus. Früher waren es die Eichsfelder, die kamen und hier, ähnlich wie die Warthebruch-Schnitter oder Linumer Torfgräber, eine Sommercampagne durchmachten. Aber die Eichsfelder blieben schließlich aus oder wurden abgeschafft, und an ihre Stelle traten die Lipper. Die behaupten noch jetzt das Feld.
Anmerkung von Th. Fontane zum Kapitel Glindow:
Es ist oft gesagt worden, daß der Stadt Berlin das Material zu raschem Emporblühen beinah unmittelbar vor die Tore gelegt worden sei. Das ist richtig. Da sind die Feldstein-blöcke für Fundament- und Straßenbau, Rüdersdorfer Kalk zum Mörtel, Holz in Fülle, Torf- und Salzlager in unerschöpflicher Mächtigkeit. Ohne diesen Reichtum, der in dem Grade, wie er jetzt vorliegt, lange ein Geheimnis war, wäre das riesige Wachstum der Stadt, bei der ursprünglich geringen Fruchtbarkeit des Bodens, bei ihrer Binnenlage und ihrer immerhin beschränkten Wasserverbindung, nahezu eine Unmöglichkeit gewesen. Daran, daß es möglich wurde, hat GLINDOW seinen Anteil: der große ZIEGELOFEN der Residenz. Das sogenannte "Geheimratsviertel" ist größtenteils aus Glindower Steinen aufgeführt, und ein ganzes " Berlin der Zukunft steckt noch in den Glindower Bergen. (Glindow heißt übrigens Lehmdorf, von dem wendischen Worte Glin, der Lehm. Kaum irgendein Wort, wie schon Seite 214 hervorgehoben, kommt häufiger vor in der Mark. Außer dem Landesteile "der Glien", mit der Hauptstadt Cremmen, gibt es zahlreiche Dörfer dieses Namens. Vergleiche das Kapitel >Groß Glienicke<)(Aus: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Band 3. Aufbau Taschenbuch Verlag; Berlin und Weimar 1991. Seite 463 / 71 — Der Schwielow und seine Umgebung, Kapitel Glindow — hier zitiert Seite 464, unten.
Ergänzung zur Ziegelsuche in Berlin.
Einige Aspekte aus meinen Erfahrungen als ZIEGELSAMMLER: Ziegel suchen und sammeln in einer grossen Stadt wie Berlin, setzt einen speziellen Focus, sowie eine flexible und auch beharrliche Vorgehensweise voraus. Ziegel sind in dieser Stadt, die ihren wesentlichen Aufschwung in der baulichen Entwicklung mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte, in Billionen Stückzahlen verarbeitet worden. Hergestellt wurden die Ziegel im näheren und entfernteren Umland, nach alter Distanzbezeichnung zwischen 3-12 Meilen (22-90 Km), gedacht als Luftlinie und bezogen auf das Stadtzentrum. Die Lage von leichter zugänglichen Tonvorkommen und der nahe Wassertransportweg, bilden einen günstigen wirtschaftsgeographischen Zusammenhang für eine stark expandierende Großstadt zum Ende des 19. Jahrhunderts.Als städtebaulichen Raum muß man die heutigen Innenstadtbezirke bis an den S-Bahnring ansetzen. Über die alte Stadtgrenze hinaus, wurden zuerst die Gebiete südlich vor dem Halleschen Tor, sowie nördlich das Gebiet zwischen Thor- und Saarbrücker Straße für Wohnungsbauten, Gewerbeumsiedlungen und militärische Bauten erschlossen.
ABB.: Flash-Karte einfügen
In ost-westlicher Richtung verläuft die Entwicklung entlang der Spree, östlich mit der Köpenicker Strasse zum Schlesischen Tor, westlich durch den Moabiter Werder in Richtung Charlottenburg. Weitere Subzentren der Stadtentwicklung sind die Kopfbahnhöfe der Fernbahnverbindungen. Diese liegen außerhalb der alten Stadtgrenze und bilden städtebauliche Ausfallachsen zum inneren und äußeren Ring der Vororte. Damit ist auch im wesentlichen der Stadtraum benannt, wo sich nach den zuvor skizzierten Entwicklungen und Bedingungen, Ziegel mit besonderen und aussagefähigen Merkmalen suchen und finden lassen.