Regionales, geschichtliches zu Ziegeleien der Mark Brandenburg.

Wie der Märker seine Feld- und Gartenfrucht, sein Hab und Gut dem sandigen und morastigen Boden seiner Heimath allezeit unter weit größeren Anstrengungen und mit einer ganz anderen Aufbietung seiner Willenskraft abringen mußte als die Bewohner der von der Natur mit reicheren Hilfsquellen ausgestatteten Gegenden des gemeinsamen deutschen Vaterlandes, so ist ihm auch die Beschaffung des Materials für seine Wohnungen nicht allzuleicht geworden. Die Mark besitzt keine Berge, aus denen sich Marmor, Basalt oder Sandstein brechen läßt, den man behauen und zu Häusern, Palästen und Kirchen zusammenfügen kann, keine Schieferbrüche, welche die sichere und schützende Bekleidung der Dächer herleihen. Und dennoch ist die Mark reich an alten, ehrenfesten und berühmten Städten, dennoch entstand in ihrem Herzen Berlin, die merkwürdigste Stadt der Neuzeit, seit beinahe zwei Jahrhunderten die Residenz der preußischen Könige, im zweiten Jahrzehnt, und hoffentlich noch recht lange, die deutsche Reichshauptstadt, die Residenz der deutschen Kaiser aus Hohenzollerngeschlecht.

Die Beharrlichkeit und Zähigkeit des Märkers hat auch in dieser Beziehung ersetzt, was die mangelhafte Ausstattung seiner heimathlichen Scholle ihm versagt zu haben schien. „Versagt zu haben schien" — nur dem oberflächlichen Beobachter dünkt der Boden dürftig, wer schärfer zusieht, wird bald entdecken, daß er verschlossen aber nicht geizig ist; er birgt gleich seinen Bewohnern reiche Schätze für den, der sie ihm zu entlocken versteht, aber er will genommen sein. Nicht im Sturm und nicht tändelnd läßt er sich erobern, stetig und mühsam muß man ihn erschließen; es hat den Anschein, als sei das Segenswort der Bibel "Im Schweiße Deines Angesichtes sollst Du Dein Brod essen," mit ganz besonderer Anwendung auf die Mark gesprochen worden. Wohl besitzt sie keinen Marmor und nur wenig anderes Gestein, aber überreich versehen ist ihr Boden mit anderem Material zum Bau von Häusern, in denen es sich gut und warm und sicher wohnen läßt, denen man auch gefällige Formen und Zierrathen zu geben vermag, mit einem Wort ... zum Ziegelbau.

Wie die ganze norddeutsche Tiefebene, so war auch die Mark in früheren Tagen reichlich bedeckt mit eratischen Blöcken und kleineren Geschieben von Granit, welche vermuthlich in der Eisperiode durch schwimmenden Gletscher aus den skandinavischen Gebirgen herüber gebracht wurden. Die wachsende Bauthätigkeit räumte aber mit diesem Material gewaltig auf, obwohl es bis auf den heutigen Tag nicht ganz verschwunden ist, denn noch immer werden neue Fundgruben entdeckt. In der Umgegend von Berlin freilich ist meilenweit kein Granitfindling aufzutreiben, der sich nur zu einem halbwegs erträglichen Pflasterstein verwenden ließe, der unersättliche Magen der Stadt, der sich aus einem Fischerdorfe zur Kaiserresidenz entwickelte, hat auch diese scheinbar gänzlich unverdauliche Speise verschlungen. Es ist anzunehmen, daß die alten Pfarrkirchen der Spreestädte Berlin und Cöln schwerfällige Bauten von behauenen Granitquadern waren, ähnlich den noch erhaltenen Dorfkirchen in Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde.

Die Häuser waren, wie in der ganzen Mark, schlichte mit Lehm ausgefüllte Fachwerksbauten, die Befestigungen dünne Mauern aus Granitblöcken. Als Zeugen für diese Annahme brauchen wir nicht „Steine, die man aus dem Schooß der Erde gräbt" anzurufen, sie werden noch heute im vollsten Genusse des Daseins beschienen vom goldigen Sonnenlicht. Man kann jene Denkmäler des Baustils unserer Vorzeit in kleinen, wenig von der Kultur beleckten märkischen Städten noch jetzt als völlig zu Recht bestehend vorfinden.

Nach der Einführung des Kalksteinbaues ward die Verwendung des Granits, abgesehen vom Straßenbau, eine geringere und beschränkte sich mehr und mehr auf Tief- und Fundamentalbau. Schon im Mittelalter machte sich bei der wachsenden Bevölkerung der Mark Brandenburg der Mangel an natürlichen Bausteinen recht fühlbar und sehr bald erkannte man den hohen Werth der als Ersatz dafür in reichem, ja in überreichem Maaße im Boden ruhenden Ziegelerde. „Thonerde, woraus unser einheimisches Irdenzeug pflegt gemacht zu werden" — erzählt Beckmann„findet sich in der Altmark in dem Drömling, in der Mittelmark, bei Ziesar, welcher sich sehr fest brennt und wenn Mauersteine daraus gemacht werden, halten sie vortrefflich und lange zu Ofens, welche ein heftig Feuer ausstehen müssen."   „Hierher gehört auch die Leimerde (Lehm) als welche nach abgesondertem Sande und Eisentheilchen ein wirklicher Thon und was gemeines ist. Sie findet sich in allen Theilen der Mark an vielen Orten und hat Anlaß gegeben, unsere Ziegelscheunen anzulegen, von welchen die bei Rathenow wegen der schönen großen Steine vor anderen bekannt ist. Die zu Lehnin gelegen ist durch des Herrn Kriegs- und Domainenrath von Schmied gute Anstalten in vorzügliche Umstände gesetzt worden."

Der Chronist, welcher dies um das Jahr 1751 niederschrieb, will sogar wissen, die Ziegelei bei Glienicke habe dem Dorfe den Namen gegeben, denn Glienick heiße Lehm *). Wir wollen uns hier auf eine Untersuchung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer solchen sprachlichen Ableitung nicht einlassen, es genüge darauf hingewiesen zu haben, welche Wichtigkeit die Geschichtsschreiber der Mark Brandenburg der Ziegelerde beilegten. Beschäftigen wir uns nun zunächst mit der Entstehung des Ziegelbaues aus dem die Mark geheißenen Flecken Erde, wir haben dabei auf eine recht frühe Periode zurückzugehen.

Es waren die von Albrecht dem Bär im Havellande und in der Altmark angesiedelten Kolonisten — zwischen 1150-1160 — welche zuerst den in der Thonerde im Boden ruhenden Schatz zu heben versuchten und die auf dem Ziegelbau beruhende neue Bautechnik einführten.

In Berlin ist die im Jahre 1271 begonnene Klosterkirche *) der Franziskaner das älteste nachweisbare Beispiel des Backsteinrohbaues, der darauf schnell und allgemein Eingang fand und neben dem Holzbau für Privatgebäude das ganze Mittelalter hindurch herrschend blieb. Zur Erbauung der erwähnten Klosterkirche schenkte ein Ritter von Nybede den Franziskanern seine in den Lehmgruben an den Tempelhofer Bergen (an der heutigen Bergmannstraße) belegene Ziegelei.

Erst durch Schinkel ist der Backstein in architektonischer Hinsicht wieder zur Geltung gelangt, und in Berlin zeugen jetzt eine Reihe von Bauten dafür, wie ungerecht die Vernachlässigung und Zurücksetzung — im eigentlichsten Sinne des Wortes — des rothen Ziegelsteines war. Was er indeß an künstlerischer Bedeutung während jener Jahre des Exils verlor, das gewann er reichlich vom Gesichtspunkte der Nützlichkeit aus. Der Ziegelstein ward das Hauptmaterial für den von Jahr zu Jahr sich steigernden Häuserbau; Holz, Kalk und Lehm wurden ihm als zwar unentbehrliche, aber dennoch untergeordnete Gesellen beigefügt.

Die Altmark besaß anno 1750 an Ziegelscheunen auf dem Lande 12 und hatte es 1801 bis auf 17 gebracht; in der Mittelmark betrug deren Anzahl 1780 schon 67 und war 1801 auf 97 gestiegen, während die fünfzig Städte, Rathenow mit eingeschlossen, im Jahre 1780 deren 24 und im Jahre 1801 deren 29 zählten. Die Ziegelscheune des Magistrates in Potsdam lag 1780 in der Brandenburger Vorstadt und war in Erbpacht. Die in der Hasenhaide vor dem Cottbusser Thor befindliche Ziegelscheune der Stadt Berlin hatte 1786 der Entrepreneur Braun gepachtet.

Die Herstellung der Steine in diesen Ziegeleien war allerdings einfach genug und rechtfertigte den Namen "Ziegelscheunen", den die Stätten, wo Backsteine bereitet wurden, im Volksmunde und auch officiell führten. In der primitivsten Weise wurde der Thon zu Tage gefördert, und in nicht viel anderer Weise mit Händen und Füßen geknetet und getreten, wie es einstmals die Kinder Israel in Aegypten auf Geheiß des strengen Pharao zu thun gezwungen waren.

Auch jetzt ist die Herstellungsart, namentlich auf den Ziegeleien, welche nur Hintermauersteine bereiten, noch einfach genug, und doch, welch ein Unterschied zwischen sonst und jetzt. Sonst brannte man Ziegelsteine, jetzt fabrizirt man, sonst gab es Ziegelscheunen und Ziegelbrenner, heute hat man Ziegeleien und Ziegeleibesitzer.

Was zunächst das Material anbetrifft, so ist es heute noch dasselbe wie zu der Zeit als der erste niederländische Kolonist den ersten Stein in Mark Brandenburg brannte, nämlich Thonerde und Sand. Nur da, wo die erstere Bedingung an Ort und Stelle oder in einer leicht zu erreichenden Entfernung vorhanden, konnte vernünftigerweise von der Anlegung von Ziegeleien die Rede sein, am letzteren Erforderniß leidet die Mark glücklicher oder unglücklicherweise ebenfalls keinen Mangel, und dennoch wäre man im Irrthum, wollte man glauben, es sei auf jeder Ziegelei möglich, den Sand, dessen man bedarf, zu graben.

Wir werden noch darauf zurückkommen, daß diejenigen Ziegeleien am ertragsfähigsten sind, welche ihr Material in der Nähe haben und in der Lage sind, ihr fertiges Fabrikat vom Platze aus in Kähne verladen und zu Wasser fortschaffen zu lassen. Sehen wir uns jetzt die Fabrikation von Sonst und Jetzt an.

Wie erwähnt, ward der Thon mit den Füßen getreten und zum Formen hergerichtet, was durchgängig mit der Hand geschah, die Steine trockneten zumeist im Freien und wurden alsdann in Oefen mit Zügen gebrannt, ähnlich den Backofen, die man noch heute aus dem Lande sieht. Da diese Oefen nur eine kleine Anzahl von Steinen gleichzeitig zu brennen vermochten, so ward dem Betriebe dadurch eine Schranke gesetzt, die man durch Anlegung von einer ganzen Reihe von Oefen zu durchbrechen strebte, man stieß dabei indeß auf zweierlei Schwierigkeiten. Der Verbrauch an Feuerungsmaterial war bei dieser Herstellungsart sehr groß und vertheuerte die Steine und der Rauch und Ruß, den sie verbreiteten, ward nachtheilig für Baum- und Pflanzenwuchs, wie für die Menschen. Im nächsten Umkreise einer Ziegelei gediehen weder Nutz- noch Zierpflanzen und auch mit den Menschenkindern ging eine gar wunderbare Metamorphose vor. Ein alter jovialer Ziegeleibesitzer erzählte, die zahlreiche Nachkommenschaft seines Ziegeleimeisters sei während der Sommerzeit an Haut und Haaren einer Zigeunerhorde ähnlich gewesen, erst wenn der Winter einzog und die Brennöfen nicht mehr ihre verhängnißvolle Macht übten, kam unter der dunklen Hülle das Flachshaar und die röthlich weiße Haut zum Vorschein und aus den Zigeunern schälten sich wieder die echten Märker heraus.

Wie anders sieht es doch jetzt auf unseren märkischen Ziegeleien aus! Mag der Besucher Werder-Glindow aufsuchen, mag er Ketzin und Paretz, Rathenow oder Herzfelde, Velten oder Fürstenwalde zum Ziele eines Ausfluges machen, er wird überall ein bunt bewegtes, eigenartiges Bild empfangen. Die verschiedenen Bedingungen des Bodens und die Art der Fabrikation rufen einige Abweichungen hervor, im Großen und Ganzen ist der Eindruck jedoch ein gleichartiger. In Glindow und Werder liegen die Ziegeleien zerstreut zwischen jenen Obstgärten, die durch den unermüdlichen Fleiß und die Intelligenz der Bewohner auf wenig fruchtbarem Sande entstanden sind und in guten Tagen Erträge bis zu 600 Mark Pacht 1/4 Hectar geben. Früher waren die Brennöfen arge Feinde der Obstpflanzungen und es gab zwischen Ziegelei- und Plantagcbesitzern Streitigkeiten und Prozesse. Jetzt zieht der Rauch der Ringöfen darüber hin, ohne den Blüthenschnee der Bäume zu gefährden, ohne das Roth der reifenden Kirsche in schmutziges Braun zu verwandeln, einträchtig neben einander liegend, reden Obstgarten und Ziegelei eine vernehmliche Sprache von märkischem Fleiße und Intelligenz.

An anderen Orten sind es Wiesen, angebaute Felder, Park- und Gartenanlagen, auch wohl hübsche Dörfer und schmucke Villen, welche das landschaftliche Bild der Ziegeleien, denen die runden Ringöfen mit den hochaufragenden Schornsteinen ein eigenthümliches Gepräge verleihen, eine bunte, dem Auge wohlthuende Abwechselung geben. In der Ferne erheben sich Höhen, an denen die Mark gar nicht so arm ist, wie man allgemein annimmt, dazwischen blinkt der Fluß, der Kanal, blinken Teiche und Seen im Sonnenschein, wie Tauben und Schwäne flattern die weißen Segel der Kähne, welche mit schwerer Steinfracht beladen den Weg nach Berlin antreten. Wo die Thonerde unter Wiesenmoor steht, pumpen durch Dampf getriebene Lokomobilen das Wasser aus den Erdstichen, andere Fundorte haben diese Vorrichtung nicht nöthig. In den Erdstichen oder Gruben wimmelt es von Arbeitern, die von oben betrachtet, das Ansehen geschäftiger Zwerge haben. Wo Torf über der Thonerde steht, wird er gestochen und zum Trocknen aufgeschichtet, um willkommnes Material für den Brennofen zu liefern. Andere Arbeiter schaffen den Abraum fort, wieder andere sind beschäftigt, die eigentliche Thonerde aus dem Stich zu schaffen und die harrenden Schiebkarren damit zu füllen. Liegt der Erdstich den Arbeitsplätzen der Ziegelei nahe genug, so wird die Erde sogleich dahingekarrt; liegt er ferner, so wird er, wo dies ausführbar, auf Prähme oder Kähne verladen und zu Wasser nach einer angemessenen Ausladestelle in der Nähe der Ziegelei gebracht.

Eine andere schwierigere Beförderungsart vom Fundorte zur Arbeitsstätte ist zu Wagen und geschieht nur da, wo eine Wasserstraße sich nicht findet. Auf einigen Ziegeleien hat man zu diesem Zwecke sogar schon Drahtseilbahnen angelegt. Sei es indeß Grube oder Ausladestelle, von diesem Punkte bis zum "Thonschneider" bewegt sich während der Arbeitszeit ununterbrochen eine lange Reihe von Kärrnern, welche die gefüllten Karren hin, die leeren zurückschieben. Der sogenannte Thonschneider ist eine große aus Holz und Eisen konstruirte Maschine, welche in ihrer Einrichtung die größte Aehnlichkeit mit der Kaffeemühle hat. Er wird durch Dampfkraft, zumeist jedoch durch davor gespannte Pferde in einer beständigen kreisenden Bewegung erhalten und zermalmt die Thonerde zu einer glatten, breiartigen Masse. Je nach der Größe der Ziegelei sind zwei, drei, vier und mehr Thonschneider am Werke. Die zermalmte Ziegelerde kommt nunmehr zu den in der Nähe des Thonschneiders belegenen Arbeitsplätzen.

Hier sind die Ziegelstreicher in langen Reihen, Tischen, wie der technische Ausdruck lautet, immer zwei gegeneinander aufgestellt und machen mit staunenswerther Geschicklichkeit in hölzernen Formen die Steine, welche sämmtlich als Zwillinge aus die Welt kommen und mit einem sicheren Wurf sogleich aus der Form auf die mit Sand bestreuten Trockenplätze geworfen werden. Eine Anzahl derselben trocknet hier im Freien so lange, bis sie für das Brennen geeignet sind, eine bei weitem größere Menge wird aber in den langen hölzernen Trockenschuppen aufgeschichtet und harren hier des Tages bis die Reihe an sie kommt, der Gluth des Brennofens überantwortet und gehärtet zu werden. Wenn für den Rest des Jahres Regen, Schnee und Eis dem Ziegelstreichen ein Ziel gesetzt haben, glüht oft noch Monate lang der Brennofen bis alle während des Sommers geformten Steine in seinem Innern ihre Umgestaltung erfahren haben.

Die jetzigen Brennöfen sind auf den meisten Ziegeleien nicht mehr jene Backöfen, sondern die vorerwähnten sogenannten Ringöfen, Rundbauten, aus demselben Material, das sie bereiten, nämlich aus Ziegelsteinen, hergestellt. Sie haben vierzehn bis sechzehn Kammern, welche der Reihe nach gefüllt und geleert werden, so daß man in eine Kammer die frisch herzugekarrten Steine einschachtet, während die daneben gelegene geöffnet wird, um die fertig gebrannten Steine herauszunehmen und nach den Lagerplätzen zu schaffen, von wo aus sie in die harrenden Kähne geladen und weiter transportirt werden. Das Feuer des Ringofens glüht Tag und Nacht und wird durch Torf und durch Kohlen unterhalten. Inmitten des Rundbaues streckt sich ein mächtig langer Schornstein empor, dem bald weiße, bald schwarze Rauchsäulen entsteigen, untrügliche Wetterfahnen für die Umwohner, aber in einer solchen Höhe, daß jede schwärzende Vertraulichkeit für Thier und Menschenkind ausgeschlossen ist.

Eine größere Ziegelei hat in der Regel zwei Ringöfen und dem entsprechend Arbeitstische und Thonschneider. Die Aufsicht führt ein Ziegelmeister, verantwortliche Posten haben ferner die Maschinenmeister bei den Lokomobilen, die Brenner und die Vorarbeiter an den Tischen. Es herrscht denn auch eine förmliche Rangordnung, die sich so weit erstreckt, daß die Ziegelstreicher, von denen ein großer Theil unter der Führung von Meistern aus Lippe-Detmold zu kommen pflegt, sich abgesondert von den Arbeitern halten, welche die Erde stechen, sie heranschaffen und das Ab- und Zukarren der Steine besorgen. Unter den Letztern ist ein bedeutender Zuzug aus Schlesien, doch sind selbstverständlich als Ziegelstreicher wie als Erdarbeiter auch Einheimische in beträchtlicher Zahl beschäftigt. Nur diejenigen Leute, die in der nächsten Umgegend wohnen, finden sich Morgens zur Arbeit ein und gehen Abends heim; für das Unterkommen der übrigen ist durch den Bau großer Arbeitshäuser Sorge getragen; sie führen auch meistens gemeinschaftliche Küche und halten sich ganz vornehm einen Koch, der indeß seine Lehrjahre weder im Kaiserhof zu Berlin, noch bei den frères provenceaux in Paris durchgemacht zu haben braucht.

Die "Lipper" z. B. speisen Tag für Tag Erbsen und Speck, welche Lebensmittel sie in großen Mengen mitbringen, wenn sie im Frühling gleich den Schwalben kommen. Kehren sie im Herbst mit den Zugvögeln heim, so sind wohl die Vorräthe aufgezehrt, aber sie haben einen ganz hübschen Sparpfennig im Sacke, mit dem es sich im Winter Hausen läßt. Trotz der geschilderten "eigenen Oekonomie" verzehren die Leute übrigens einen nicht unbeträglichen Theil ihres Einkommens an Ort und Stelle, so daß die Ziegeleien für die nächstgelegenen kleinen Städte eine Nahrungsquelle sind und sehr viel zu ihrem Emporblühen beigetragen haben.

Eine größere Ziegelei beschäftigt in der Regel 150-200 Personen. Es hieße zuviel von der menschlichen Natur erwarten, wollte man annehmen, daß es unter diesen Leuten immer vollständig friedlich herginge. Es kommen Streitigkeiten und Schlägereien unter Einzelnen, wie unter Gruppen vor, der Ziegeleibesitzer und ganz besonders sein verantwortlicher Minister, der Ziegelmeister, jetzt auch wohl Inspektor genannt, haben das Regiment mit fester Hand zu führen und dürfen keine Ausschreitungen dulden, im Ganzen herrscht aber eine anerkennenswerthe Ordnung, Ruhe und Gesetzlichkeit unter den Leuten und sozialdemokratische Agitationen haben bei ihnen nur sehr vereinzelt Boden gefunden. Manche Ziegelei ist dagegen besonders an den Sonnabend Abenden der Schauplatz lauter und harmloser Fröhlichkeit. Gesänge erschallen, begleitet von den Tönen, die ein Meister auf der Ziehharmonika diesem Instrumente entlockt, bald gehen seine Weisen in eine Tanzmusik über und lustig drehen sich die Paare, die freilich der schöneren Hälfte entbehren. In Ermangelung des "wenig Weiblichen" zieht hier das Männliche den Kameraden als Tänzer oder Tänzerin an.

Lassen sich die Menschen auf einer Ziegelei bei gutem Willen und nur einigermaßen humaner Gesinnung des Arbeitgebers unschwer regieren, so giebt es andere Feinde, die tückisch lauern und großen, unberechenbaren Schaden anrichten können. Zunächst ist die Fabrikation der Steine nicht unabhängig vom Wetter. Viele und starke Regengüsse verhindern nicht nur die Arbeit, sondern machen auch die auf den Trockenplätzen liegenden Steine unansehnlich und unbrauchbar; beim Brennen kann viel gutes Material verdorben werden, alle diese Hindernisse sind jedoch geringfügig gegen die Kalamität "Wasser im Erdstiche", welcher diejenigen Ziegeleien ausgesetzt sind, die ihre Erde aus Torfmoor unter Wasser gewinnen. Unscheinbar wie ein Fädchen beginnt zuweilen ein kleiner Wasserstrahl hervorzudringen, der schnell an Stärke gewinnt. Man kämpft dagegen an, man sucht ihn mit Sand, Abraum, Dünger zu verstopfen und oft gelingt es; erweist sich jedoch die Gewalt des Wassers stärker als die Kunst der Menschen, so wächst es, füllt mit Gebrause den Erdstich und begräbt ein Thonlager, das vielleicht noch für Jahre Vorrath für Millionen Steine geboten hat. Glücklich der Ziegeleibesitzer, der sogleich in der Lage ist, einen neuen Stich in Angriff nehmen zu können.

Was das Blut für den Körper, das ist für eine Ziegelei der Besitz von Thonerde; ihr Werth und ihre Leistungsfähigkeit hängt davon ab, ob sie dieselbe hat, sie mit Leichtigkeit zu Tage zu fördern oder doch aus geringer Entfernung und zu Wasser herbeiholen kann. Muß die Erde durch Fuhrwerk und aus einem ferneren Fundorte hcrangcschafft werden, so wird die Herstellung der Ziegelsteine dadurch bedeutend vertheuert. Die Glindower Ziegeleien, um einige Beispiele anzuführen, erwerben ihr Material in den ihnen benachbarten Sandbergen, deren Abraum im Laufe der Jahrhunderte bis zu 90 Fuß Höhe aufgeschüttet ist. Werder dagegen hat seinen Vorrath in nächster Nähe bereits aufgebraucht, vermag sich indeß das Mangelnde zu Wasser aus Ketzin herbeizuschaffen, woselbst die Erde aus einem Torfmoor unter Wasser gewonnen wird und wo trotz der an Ort und Stelle im großen Maßstabe betriebenen Fabrikation noch unermeßliche Schätze im Boden ruhen.

Sind doch die Ketziner Ziegeleien verhältnismäßig neueren Datums. Sie datiren aus den dreißiger oder vierziger Jahren unseres Jahrhunderts und haben eine Art von Geschichte. Es war wenig fruchtbarer Sand- und Sumpfboden, welcher das Städtchen Ketzin und die Dörfer Etzin, Knobloch, Tremmen u. s. w. umgab und sich hinzog bis nach Paretz, dem einfachen Schlosse und Park, wo Friedrich Wilhelm III. und die Königin Luise so gern weilten und wo alle Erinnerungen an sie in Pietätvoller Weise gewahrt werden. Schloß und Domäne Paretz nebst den dazu gehörenden Krongütern Falkenrehde und Uetz sind jetzt in den Besitz des Kronprinzen übergegangen. Mageres Ackerland und eine nicht ganz ungefährliche Viehweide nannten die Bewohner von Ketzin und Umgegend ihr Eigenthum; es soll vorgekommen sein, daß Kühe, die ausgingen sich ihr Futter zu suchen, auf Nimmerwiederkehr im Sumpfe verschwanden. Kein Wunder, daß ein Morgen Land für zehn Thaler feil war und daß es mit dem Wohlstände des Landstriches nicht allzugut bestellt war.

Da entdeckte ein Schullehrer Namens Kaselitz bei dem Versuche, den Umfang des Torflagers auf einer ihm gehörigen Wiese durch Erdbohrungen festzustellen unter dem Torfmoor des Sumpfbodens Mergel und sogenannte graue Erde, ein sicheres Zeichen, daß auch hier Thonerde vorhanden sei. Er setzte seine Nachgrabungen fort und seine Vermuthung bestätigte sich in einem ganz ungeahnten Umfange. Auf Meilen im Umkreise fanden sich Thonlager. Dem Entdecker war es freilich nicht beschieden, die großartige Schöpfung zu sehen, zu welcher er den Anstoß gegeben hatte, nicht für sich selbst sollte er die dem Boden abgewonnenen Schätze zu goldenen Münzen prägen. Kaselitz ist im Jahre 1866 als eins der ersten Opfer der Cholera in wenig glänzenden Verhältnissen in Berlin gestorben. Andere haben die Früchte seiner Entdeckung geerntet.

Es kamen, wie erwähnt, die Ziegeleibesitzer von Werder und kauften das thonhaltige Land zur Ausbeutung für ihren Betrieb, es entstand um Ketzin eine Ziegelei nach der andern. Der Morgen Land, der 10 Thaler gekostet hatte, brachte dem Besitzer, der beim Bohren Thon gefunden, und man bohrte natürlich überall, jetzt fünfhundert Thaler ein; Ketzin, Tremmen u. s. w. wurden wohlhabend durch den Verkauf ihrer Ländereien, wie durch den sich daselbst entwickelnden Verkehr; tausende fanden bei den Erdgräbereien als Ziegelstreicher u. s. w. dauernde Beschäftigung und guten Verdienst. Allmählig wurden alle Verbesserungen der Neuzeit eingeführt; auch wo kein Thon vorhanden, ward der Boden durch sorgfältigen Anbau besser und fruchtbarer, wo ehemals öder Sand erheben sich jetzt hübsche Villen und geschmackvolle Gartenanlagen; die seltsamen Rundbauten der Ringöfen und die zahlreichen weißen Segel der Steinkähne geben der hübschen Landschaft etwas ganz Eigenartiges.

Die Ketziner Ziegeleien, etwa 20 an der Zahl, liegen sämmtlich so, daß sie ihre Steine unmittelbar auf die Kähne schaffen können, auch ist ein Kanal gebaut worden, um die direkte Verschiffung des Fabrikates nach Berlin zu bewirken. Eine solche Möglichkeit ist nämlich nicht nur für diese Gruppe, sondern für sämmtliche Ziegeleien der Mark, sofern sie nicht nur für den beschränkten Bedarf ihres nächsten Umkreises arbeiten, erste Lebensftage. Niemals hätte die Ziegelfabrikation der Mark einen so riesigen Umfang anzunehmen vermocht, wäre es nicht ihre Aufgabe gewesen, die Stadt Berlin mit dem Material für ihr ungeheures Wachsthum zu versorgen; von der anderen Seite würden sich dies und damit der Ausbau der Stadt aber als unausführbar erwiesen haben, ohne die durch Spree und Havel mit ihren Nebenseen gebotenen Wasserwege, welche bereits vor Jahrhunderten durch den Finow-, Müllroser- und Plaucnschcn-Kanal mit Elbe und Oder in Verbindung gebracht sind. In den allerletzten Jahren haben allerdings die bereits nach allen Richtungen ausstrahlenden Eisenbahnen verhältnißmäßig große Blaffen von Baumaterial aus beträchtlicher Entfernung herbeigeführt, dieses Quantum verschwindet jedoch gegen das, was bei normalem Wasserstande auf dem Wafferwege hereinkommt. Die letztere Beförderungsart wird stets die bequemste und wohlfeilste bleiben.

Nach der Beschaffenheit der Thonerde ist das Fabrikat der Ziegeleien ein verschiedenes und zerfällt in Hintermauersteine, die mit Kalk geputzt werden müffen, in Steinen die zum Rohbau verwendbar sind, Klinkern, Verblendsteinen und Dachziegeln. Sehen wir uns die Ziegeleien nach ihren Fabrikaten einmal der Reihenach an.

Rathenow, das schon Beckmann mit Anerkennung nennt, bewahrt noch heute seinen alten Ruhm und hat einer besonderen Art trefflicher Steine den Namen gegeben, obgleich der dafür erforderliche sehr fette, plastische eisenhaltige Thon, welcher nur durch Auswintern, den Thonschneider und meistens mit der Hand bearbeitet, merkwürdigerweise auch noch in Oefen alter Instruktion gebrannt wird, in der nächsten Umgegend von Rathenow sich kaum noch vorfindet. Er wird aus entfernteren Ablagerungen dahin verfrachtet oder auch an den Fundorten, wie z. B. Havelberg und Wittenberge zu Steinen fabrizirt, die aber ebenfalls den Namen „Rathenower Ziegelsteine" führen und sich durch ihre Haltbarkeit, wie ihre schöne rothe Farbe auszeichnen. Die älteren Rohbauten Berlins, wie z. B. die Kloster- und Nikolaikirche, sind ausschließlich aus Rathenower Material aufgeführt; für Dachsteine kommt es auch jetzt noch beinahe allein zur Verwendung.

Das weitaus größeste Quantum von Ziegeln, vielleicht 80 Prozent, liefern die nach hunderten zählenden Ziegeleien auf beiden Seiten der unteren Havel von Brandenburg bis Potsdam, Michelsdorf, Lehnin, Ketzin, Werder, Glindow — letztere drei Gruppen bereits erwähnt — und Paetzow. An der unteren Spree, Dahme und Notte von Köpenick bis Storkow und Zossen, Kienitz und Rüdersdorfer See mit Herzfelde. Die obere Havel mit dem Havelländischen Kanal, Birkenwerder, Heegermühle, Oranienburg, Cremmen, Hermsdorf. Innerhalb dieses Kreises liefern die einzelnen Gruppen, dasselbe Rohmaterial verarbeitend, meist auch einerlei Gattung Steine und zwar von dem ordinärsten, wohlfeilsten Hintermauerungsstein bis zum feinsten Weißen, gelben und orange Verblender, vom unansehnlichsten grauen oder schwachrothen Steine bis zum festesten Klinker.

Hierher gehört auch noch Bellinchen an der Oder, welches ein für Wasser- und Hochbauten sehr geschätztes Fabrikat liefert, so wie auch dazu die Ziegeleien des Finowkanals, mit Freienwalde, Hohensaathen, Hohenfinow, Eberswalde und Joachimsthal zu rechnen sind. Die in der Nähe von Joachimsthal belegene Ziegelei Werbellin hat Verdienste, welche ein etwas längeres Verweilen an dieser Stelle rechtfertigen. Sie wurde im Jahre 1817 von Staatswegen gegründet und zwar ursprünglich nur in der Absicht, für die Schleusen des Finowkanals, deren Verbessernng damals ernstlich in Angriff genommen ward, ein gutes und brauchbares Material an Ort und Stelle zu gewinnen. Die Anlage erweiterte sich jedoch von Jahr zu Jahr, da in der nächsten Nähe im königlichen Forst mächtige Thonlager sich befanden, die ihre Reichthümer hergaben. Die Anstalt erhielt sich einzig und allein durch sich selbst, auf pekuniären Gewinn war es nicht abgesehen, etwaige Ueberschüsse wurden zu Verbesserungen benutzt. Das Fabrikat wurde ein so vorzügliches, daß die Steine zum Bau der Werderkirche nach Berlin, für die Glienicker-Brücke und das neue Orangeriehaus nach Potsdam geliefert werden mußten. Die Ziegelei von Werbellin erhob sich unter der Leitung des Inspektors Menzel zu einer Musteranstalt für die Ziegelfabrikation. Bald nach dem Tode des Inspektors Menzel ist sie auf 3 Jahre verpachtet und bedeutend erweitert worden, also gegenwärtig gewissermaßen in Privatbesitz übergegangen. —

Im Jahre 1679 schrieb der Bürgermeister Lottichius in Fürstenwalde ein großes Gedicht zum Preise der Stadt und hob darin ganz besonders die neu erbaute Ziegelscheune hervor, ebenso verfehlt die Chronik nicht, bedauernd zu erwähnen, daß besagte und besungene Ziegelscheune anno 1715 bis auf den Grund abgebrannt sei. Es ist dies der beste Beweis, welche Wichtigkeit der Ziegelbereitung schon damals in Fürstenwalde beigelegt ward, und die Ziegeleien der Stadt und Umgegend, besonders Adolfshöhe, erfreuen sich auch heute noch eines sehr guten Rufes. Gleich den Ziegeleien bei Frankfurt a. d. O. verarbeiten sie die meist im Hangenden der dortigen Braunkohlenlager auftretende Ziegelerde und liefern nicht nur gute Hintermauersteine, sondern auch schön gefärbte violette Verblender und braune Klinker. Auf diese Weise wird durch diese Ziegeleien der Uebergang gebildet zu jenen Fabrikstätten, deren Industrie sich aus die feuerfesten Thonarten der Braunkohlenformation stützt. Die Werke liegen jedoch schon über die Mark hinaus, in den Provinzen Sachsen und Schlesienund gehören deshalb nicht mehr in den Rahmen dieser Abhandlung.

Wohl haben wir aber noch der Ziegelerde zu gedenken, welche das Material für keramische Kunsterzeugnisse liefert, wie sie der Architekt für seine stets steigendem Bedürfnisse verlangt, da eine der interessantesten Werkstätten dafür die Marchsche Fabrik in Charlottenburg ist. Hier werden kleinere und größere Figuren, Gesimsstücke in allen Farben und Formen, buntfarbene Mosaikplatten u. s. w. in mustergiltiger Weise hergestellt.

In ganz ähnlicher Weise ist Velten merkwürdig, auch hier tritt die Ziegelbereitung zurück vor der Fabrikation von Ofenkacheln; der in dieser Gegend zu Tage geförderte Thon liefert das Material zu den Oefen, welche zuerst von Feilner in Berlin hergestellt wurden und unter dem Namen Berliner oder Porzellan-Oefen eine internationale Berühmtheit erlangt haben. Auch hier hat sich in einem Zeitraum von etwas mehr als einem Menschenalter die wunderbarste Metamorphose vollzogen. Velten, etwa eine Meile von Oranienburg belegen, vor zwanzig Jahren noch ein kleines, unansehnliches Dorf, dessen Bewohner sich im Schweiße ihres Angesichtes von Ackerbau und Viehzucht nährten, ist jetzt ein stattliches wohlhabendes Städtchen mit hübschen Häusern, wohlausgestatteten Verkaufsläden, dessen Bewohner Ansprüche an Comfort machen und dieselben zu befriedigen wissen. Wo ehemalseine einzige Ziegelei bestand, deren Besitzer über die geringe Nachfrage klagte und es für ganz unmöglich erklärte, daß eine zweite Ziegelei sich erhalten könne, giebt es jetzt 3 große Ziegeleien und 33 Ofen-Fabriken, welche über 1200 Arbeiter beschäftigen. Die gefertigten Ofenkacheln nehmen ihren Weg meistens nach Berlin, doch ist beinahe noch schwungvoller als die Fabrikthätigkeit der Handel mit Töpfererde, die zu Wasser nach Thorn, Riga, Warschau und Petersburg geht.

Kehren wir nach dieser Abschweifung, wenn es eine solche war, nochmals zur Ziegelbereitung im engsten Sinne zurück und zwar nunmehr zu einer Schattenseite derselben. Schon im vorigen Jahrhundert (1732-34) wurde von Lütticher Zieglern bei Lichtenberg Steine gebrannt, von denen die westliche Stadtmauer Berlins ausgeführt ward. 1857 und 1858 wiederholte die "Waarenkreditgesellschaft" den Versuch, durch belgische Ziegler aus dem Lehm der jetzigen Rosenthaler Vorstadt in Meilern 20 Millionen Steine brennen zu lassen, von denen aber nicht zwei Millionen wirklich zum Bauen verwendet werden konnten. Der deutsch-holländische Bauverein nahm in den Jahren 1873 und 1874 den Versuch wieder auf, allerdings unter Beimischung fetter Erde und mit Anwendung von Maschinen und Ringöfen. Kleinere Baugescllschaften und Private haben vor allen Thoren Berlins, wo nur Erde aufzufinden war, den Versuch gemacht, sich ihre Bausteine selbst zu brennen und davon Bauwerke aufgeführt, in denen zu wohnen eine höchst zweifelhafte Annehmlichkeit bietet. Bei manchen ist in des Wortes eigenster und schrecklichster Bedeutung der "Krach" eingetreten, welcher auch für Baumaterialien nach der fieberhaften Erregung der Gründerzeit in einer recht empfindlichen Weise hereinbrechen sollte.

In früheren ruhigeren Zeiten hatten Ziegeleibesitzer, die nach Berlin lieferten, den Erfahrungssatz, daß aus fünf Jahre einer erhöhten Bauthätigkeit fünf Jahre des Stillstandes folgten. In den Jahren 1840 bis 48 betrug der Durchschnittspreis des Tausend Hintermauersteine zehn Thaler, der Rathenower aus 14 Thlr. 1848 —49 stellte sich der Preis auf 8 bezw. 12 Thlr. stieg von 1850 bis 55 um ein geringes und hielt sich von da bis 1860 aus 10 bezw. 14 Thlr. Nun aber kam die erste Periode der Bauspckulation, welche die Preise auf 14 bezw. 20 und auf 13 bezw. 18 Thaler emporschnellte; ihr folgte der erste Krach. Die bis dahin unerhörten Preise hatten die Anzahl der Ziegeleien verdoppelt; die Jahre 1864 und 65 brachten eine Stockung in der Bauthätigkeit, es trat Ueberproduktion auf den Ziegeleien ein und die Preise der Steine sanken auf 6 ¼  bezw. 10 Thlr.

Unter diesen Verhältnissen mußte eine Anzahl der wie Pilze aus der Erde gewachsenen ephemeren Ziegeleien den Betrieb wieder einstellen, die lebensfähigeren erhielten sich jedoch, führten Verbesserungen und damit Ersparnisse ein und getrösteten sich, daß auf die mageren Jahre wieder fette kommen würden. Und sie kamen, kamen in einer ungeahnten Fülle. Nach dem deutsch-französischen Kriege als der Milliardenrausch und das Gründungsfieber der Bevölkerung des deutschen Reiches die gesunden Sinne zu verwirren schien und der Tanz um das goldene Kalb in Berlin zur Orgie ward, stieg der Preis der Hintermauersteine auf 18 Thlr; der für feinere Sorten auf 24 Thlr. und die Ziegeleien vermochten nicht zu liefern, was man von ihnen verlangte. Selbst als der größte Paroxismus vorüber war, anno 1873 und 74, galten die Steine noch 15 bezw. 20 Thlr., dann trat aber ein rapides Sinken ein und gegenwärtig ist die neue Münzrechnung praktisch durchgeführt. Das Tausend Steine gilt jetzt nicht viel mehr Mark als in den Gründerjahren Thaler dafür gezahlt wurden. Es muß dabei freilich in Anschlag gebracht werden, daß in jenen Jahren Arbeitslöhne und Kahnfracht sich auf das Dreifache stellten, daß also auch die Herstellung der Steine eine ungleich kostspieligere war als die gegenwärtige.

Trotz dieser Einschränkung ist für die Ziegeleibesitzer der Abstand zwischen Sonst und Jetzt ein sehr fühlbarer und es giebt unter ihnen eine nicht ganz unbeträchliche Anzahl, welche Wohl das Bild von den mageren und den fetten Jahren gebraucht, sich aber die Lehre, welche Joseph aus dem Traumgesicht des Pharao gezogen und als guter Haushalter verwerthet, nicht zu Nutzen gemacht haben. Nach dem Ueberflusse, den sie nicht zu Rathe zu halten verstanden, ist ihnen der Mangel doppelt empfindlich, sie schlagen sich nothdürftig durch oder gehen zu Grunde. Auch noch in anderer Weise treten die Nachwirkungen der Gründerzeit zu Tage. Manche leistungsfähige Ziegelei ist in ein Aktienunternehmen umgewandelt und durch unverständige oder gewissenlose Leitung auf Jahre hinaus ruinirt worden. Noch schlimmer, man hat neue Ziegeleien begründet, die Hunderttausende gekostet haben und todte Körper sind, weil sie keine Thonerde besitzen, man ist sogar so weit gegangen, das; angeblich Bohrungen vorgenommen und Gruben gegraben sind, in die man künstlich Thon hineingelegt, der, als es an das wirkliche Ausbeuten ging, sich als nicht vorhanden erwies.

Ungeachtet aller dieser beklagenswerkhen Vorkommnisse, die wir hier nicht mit Stillschweigen übergehen durften, ist die Ziegelfabrikation eine gesunde, zukunftsreiche und hochwichtige Erwerbsthätigkeit für die Mark. Denjenigen Ziegeleibesitzern, die der im Sommer „musizirenden" und im Winter darbenden Grille der Aesopschen Fabel gleichen, stehen ungleich viel andere gegenüber, welche es den Ameisen nachthaten und für die rauhen Zeiten sorgten; sie sind jetzt im Stande, durch den Umfang der Fabrikation den Ausfall, der durch die niedrigen Steinpreise erwächst, wenn auch nicht zu ersetzen, so doch ein Resultat herbeizuführen, bei dem sich bestehen läßt, denn Steine werden noch immer in recht großem Maße verbraucht.

In den Jahren der umfangreichsten Bauthätigkeit verbrauchte Berlin jährlich ca. 500 Millionen Mauersteine und um die Hälfte ist der Bedarf auch heute nicht gesunken. Rechnet man dazu den Verbrauch von Ziegelsteinen in den übrigen Städten und auf dem Platten Lande, die sämmtlich von den in der nächsten Umgegend gelegenen Ziegeleien geliefert werden; bringt man in Anschlag, daß eine große Ziegelei jährlich 5—6 Millionen Steine zu fabriziren vermag und dazu ca. 150 Arbeiter beschäftigen muß, so erlangt man annähernd einen Begriff von der Anzahl der Menschen, welche durch die Ziegeleien der Mark Arbeit und Nahrung erhalten. Annähernd, aber noch nicht vollständig, denn es tritt dazu die Verschiffung der Steine, welche ein zahlreiches Personal beschäftigt, es tritt dazu der mittelbare Erwerb, den Handwerker und Gewerbtreibende durch Bauten und Reparaturen auf den Ziegeleien, durch die Beschaffung der zum Betriebe erforderlichen Geräthschaften, durch die Lieferung der nothwendigen Lebensbedürfnisse an die Arbeiter erzielen.

Ueberschaut man zum Schlusse wie von hoher Warte die märkischen Ziegeleien nach Entstehung, Leistungen und Erfolgen, so erhält man den Eindruck, daß wir es hier mit einer ebenso beachtenswerthen, wie berechtigten Eigenthümlichkeit der Provinz zu thun haben, einer Eigenthümlichkeit, der die Mark unsäglich viel verdankt und die ihr gesichert ist, wir wollen uns nicht vermessen und sprechen: "bis ans Ende aller Dinge" — aber doch für lange, lange Zeit. Die solid eingerichteten, solid geleiteten Ziegeleien werden leistungs- und ertragsfähig bleiben, so lange sie das Material zu ihrem Betriebe erhalten, und das ist noch lange nicht aufgebraucht. Vielleicht wird mit der Zeit der Schauplatz der Ziegelbereitung sich von einer Gegend in die andere verschieben, aufhören werden sie nicht, denn man kann von den Fundorten sagen: „Schließt sich der eine dir zu, thut sich der andere dir auf." Ist die Ziegelerde auch schon gewaltig aufgeräumt und an manchen Orten völlig ausgebeutet, der märkische Boden *) birgt daran noch unermeßliche Schätze, und immer geschickter wird der Bewohner, sie ihm zu entlocken. Allerwärts wird gebohrt, neue Thonlager werden entdeckt. Noch können viele Geschlechter, die nach uns kommen, die Steine für ihren Häuserbau aus märkischer Thonerde bereiten, und wer vermag zu sagen, was früher aufhört: das Bedürfniß oder das Mittel zu dessen Befriedigung? Vielleicht bringt ein späteres Jahrhundert ein anderes Baumaterial zur Verwendung und der Ziegelbau und die Ziegelbereitung gehört alsdann der Vergangenheit an. Der Vergessenheit können sie nie verfallen, so lange es eine Mark Brandenburg, eine Stadt Berlin und eine Geschichte derselben giebt, denn unauflöslich verknüpft sind sie mit der Entwickelung beider.

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